Immer wieder werden Dachdeckerunternehmer oder Dachdeckersachverständige zu Rate gezogen, wenn Kunden Beanstandungen durch „optische Mängel“ an Ihrem Dach feststellen. Dies ist ein Grund für mich, den optischen Anforderungen einen Blogbeitrag zu widmen.
Deutschland setzt auf Dachziegel und Betondachsteine
Die Mehrzahl der Dächer in Deutschland werden mit Dachziegeln oder Betondachsteinen eingedeckt. Auf diese Deckmaterialien wird am stärksten in diesem Beitrag eingegangen. Sofern auf Metall- oder Schiefereindeckungen nicht direkt eingegangen wird, so gilt das für Dachziegel- und Betondachsteindächer.
Eine Farbgebung wie Engobe oder eine Glasur ist beim Dachziegel keine Funktionsschicht. Fehlstellen oder Beschädigungen an Engobe oder Glasur beeinträchtigen die Funktion der Dachdeckung somit nicht. Das gleiche gilt bei massiven Metalldeckungen, auch wenn diese farblich beschichtet sind.
Bei Deckmaterialien aus verzinkten Stahl ist das nicht so zu betrachten. Hier dient die Verzinkung als Korrosionsschutz. Beschädigungen an der Zinkschicht führen zur Korrosion am Bauteil.
Bei Naturschiefer liegen Abplatzungen in der Natur des Produktes, da es sich hier um behauenen Stein handelt.
Wie also mit kleinen Fehlstellen in der Farbgebung der Dachziegel umgehen?
An Schnittkanten wird bei Dachziegeln immer der Scherben sichtbar sein. Wenn vertraglich nichts anderes vereinbart wurde, so ist dies kein Grund für Beanstandungen. Sicher kann man diese Kanten mit Kaltengobe nachstreichen, geschuldet ist das in der Regel vom Dachdeckerunternehmen jedoch nicht.
Auch geringfügige Abplatzungen, Kratzer und Krater können nicht beanstandet werden. Die DIN nennt 7,5 mm als Zumutbarkeitsgrenze.
Dies ist auch völlig ausreichend, betrachtet man doch ein Dach üblicherweise vom Erdboden aus. Von diesem Betrachtungsstandpunkt aus sind kleine Fehlstellen in der Farbgebung üblicherweise nicht zu erkennen.
Höherer Anspruch bei Niedrigdächern
Bei besonders niedrigen Dächern oder Dächern, die von Dachbalkonen oder Dachterrassen leicht eingesehen werden können, sollte ein höherer Anspruch vertraglich vereinbart werden.
Im Zweifel hilft immer noch die bereits erwähnte Kaltengobe.
Sollte es doch zum Streit kommen, so nutzen Gutachter zur Beurteilung die Zielbaummethode oder die Matrix nach Prof. Oswald. Hier wird die technische Nutzbarkeit mit der optischen Verhältnismäßigkeit in Bezug gesetzt.
Dabei wird die Optik am repräsentativen Eingangsportal einer Bank sicher höher bewertet als die Überdachung einer Laderampe an einer Lagerhalle.
Auch und gerade bei optischen Beanstandungen gilt: Ein Kompromiss oder ein Töpfchen Farbe ist preiswerter als ein langwieriger Prozess.
Frohburg im März 2021
Hans-Jörg Köhler