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In früheren Jahren wurden Dächer mit Materialien eingedeckt, welche regional oder lokal vorhanden waren. Erst mit dem Bau von Eisenbahnlinien ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde es möglich, unter wirtschaftlichen Bedingungen Baumaterial über weite Strecken zu transportieren.

 

Der Schiefergürtel

In einem „Gürtel“ von Mittelgebirgen vom sächsischen Erzgebirge über Südthüringen, Franken, Hessen bis nach Rheinland-Pfalz und das südliche NRW war dies der Naturschiefer. Diese Gebiete nennt man auch „den Schiefergürtel“ – hier wurde Schiefer abgebaut und verdeckt. 
Mit Naturschiefer konnte man gerade im Gebirge schon damals relativ sturm- und schneesichere Dächer decken. Oftmals wurde auch die Wand gleich mit verschiefert. Dies waren auch die Anfänge der heutigen modernen Fassadenarchitektur.
Die Schiefer wurden in den Formen aus der Erde gebracht, wie der Stein gebrochen wurde. Viele Schiefer wurden in verschiedene Schablonenformen geschnitten. Über Schablonendeckungen werde ich eventuell bald einen detaillierten Blockbeitrag zu verfassen.
Um den gewonnenen Schiefer möglichst ohne viel Verhau nutzen zu können, entwickelte sich über Jahrzehnte und Jahrhunderte die „Altdeutsche Schieferdeckung“. Ein wie ich finde geniales und über Generationen von Dachdeckern immer weiter optimiertes Decksystem.
Die Decksteine werden in schrägen Gebinden „auf Steigung gedeckt“. Die Gebindesteigung ist abhängig von der Dachneigung und errechnet sich nach der Formel 1-sin(DNG). In der Praxis wird die Gebindesteigung meist zeichnerisch ermittelt oder einfach geschätzt. Die Decksteine sind nicht rechteckig, sondern in der Form auch funktionell optimiert. Der Winkel an der Ferse, also dort, wo das Wasser der unteren beiden Linien (Fuß und Rückenlinie) zusammenläuft, ist stumpf. Damit wird der Effekt der Gebindesteigung verstärkt, und das Unterlaufen der Überdeckung durch Niederschlagswasser wird verhindert.

 

Die altdeutsche Schieferdeckung

Bei der Altdeutschen Schieferdeckung wird jeder Stein entsprechend der Größe in diese Form gebracht. Um Gebinde in gleicher Höhe decken zu können, werden die Decksteine in der Höhe sortiert – im Fachjargon „gattiert“. An der Traufe werden die größten Gattungen eingesetzt. Da bei größeren Decksteinen die Überdeckung größer ist als bei Kleineren, wird an der Traufe mit mehr Überdeckung gedeckt — hier fällt auch das meiste Niederschlagswasser an. Nach oben hin werden die Steine immer kleiner. Jedes Stück Schiefer, welches gewonnen wurde und dachtauglich ist, wird verwendet. Auch damals wurde somit schon nachhaltig gewirtschaftet, obwohl es den Begriff seinerzeit möglicherweise noch gar nicht gab.
In der altdeutschen Schieferdeckung werden Dachteile- und Einbauteile eingebunden gedeckt. Das gibt ein harmonisches Deckbild.
Viele regionale Besonderheiten haben sich herausgebildet. So gibt es nicht nur den „Rheinischen Hieb“ und den „Thüringer Hieb“. Auch lokal, teilweise von Firma zu Firma, gab oder gibt es Besonderheiten – eine eigene Handschrift quasi.
Umfassend kann man sagen, dass die Deckung im Osten kantiger und im Westen runder gehalten wird.

 

Nur noch selten gesehen

Mittlerweile wird die Altdeutsche Deckung sehr selten ausgeführt. Nur wenige Dachdecker beherrschen diese Kunst und noch wenigere Bauherren sind bereit, die hohen Kosten, die bei so einer personalintensiven Deckung anfallen, zu bezahlen. So kommt diese Deckung fast nur noch im Bereich des Denkmalschutzes zum Einsatz. Da es kaum noch Dachdecker gibt, die tagein-tagaus fast nur diese Deckung ausführen, gibt es leider auch kaum noch diese genialen Schieferdecker, wie ich sie noch in meiner Lehrzeit kennen lernen durfte.
Bei der Gesellen- und Meisterausbildung spielt diese Deckung noch eine große Rolle. Wer diese Deckung versteht, versteht auch andere Deckungen und wie man Niederschläge gezielt leiten kann.

Bilden wir Dachdecker weiterhin in dieser Handwerkskunst aus, damit uns dieses Wissen nicht verloren geht.

 

Frohburg im August 2020

Hans-Jörg Köhler